Muslimische Beerdigung: Riten & Regeln

Muslimische Beerdigung

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Laut der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“ wohnen aktuell zwischen 5,3 und 5,6 Millionen Menschen islamischen Glaubens in der Bundesrepublik. Sie leben aber nicht nur in Deutschland, viele von ihnen sterben auch hier. Früher wurden verstorbene Muslime zur Beerdigung meistens in ihr Heimatland überführt. Das war notwendig, damit eine traditionelle islamische Bestattung vollzogen werden konnte. Allerdings hat sich die Gesetzeslage in Deutschland geändert, weshalb jetzt hier ebenfalls eine muslimische Bestattung möglich ist. Doch was genau ist eine muslimische Beerdigung und wie läuft sie ab? 

Der Islam und seine Bedeutung 

Der Islam zählt neben dem Buddhismus, Hinduismus, Judentum und den Christen zu den fünf Weltreligionen. Er hat seinen Ursprung etwa im Jahr 1.400 und ist somit die jüngste der Weltreligionen. Im Vergleich dazu ist das Christentum bereits rund 2.000 Jahre alt. 

Weltweit bekennen sich circa 1,2 Milliarden Menschen zum Islam. Sie werden Muslime genannt. Durch diese große Anhängerschar gilt der Islam als zweitgrößte Religion der Erde. Mehr Anhänger haben nur die Christen. 

Für Muslime endet das Leben nicht mit dem Tod. Die glauben daran, dass sie nach dem Ableben zurück zu Allah kehren. Allerdings sind im Rahmen des Sterbens und der Beendigung zahlreiche Regeln exakt zu befolgen. Der Ablauf ist genau vorgeschrieben. 

Ein großer Unterschied zwischen der Beisetzung in der christlichen Welt und den Anhängern Allahs ist, dass die Muslime einen viel offeneren Umgang mit dem Tod pflegen. Sie begleiten ihre Angehörigen und Toten vom Sterben bis zu den Bestattungen. In Deutschland und der restlichen westlichen Welt wird dagegen die Sterbebegleitung häufig durch Pflegepersonal und Bestatter erledigt. 

Überblick: typischer Ablauf einer muslimischen Beerdigung 

Eine muslimische Beerdigung läuft exakt in vier Schritten ab: 

  1. Im Angesicht des Todes werden die Augen des Todgeweihten/Toten geschlossen und Bittgebete gesprochen. 
  2. Der Unterkiefer wird mit einem Band zugebunden. 
  3. Die Totenwaschung und Salbung geschehen. 
  4. Die islamische Bestattung erfolgt an der Moschee oder auf einem Gebetsplatz am Friedhof. Der Verstorbene wird ohne Sarg an das Erdgrab übergeben. 

Riten bei einer muslimischen Beerdigung

Traditionelle Riten einer muslimischen Beerdigung fangen bereits vor dem Ableben an. 

Begleitung im Sterbeprozess durch die Angehörigen: Augen schließen und Bittgebete sprechen 

  1. Die Angehörigen schaffen eine möglichst beruhigende und angenehme Atmosphäre. 
  2. Der Umgang mit dem Todgeweihten geschieht so taktvoll und respektvoll wie möglich. 
  3. Ist der Sterbende vor dem Tod ansprechbar, kann der darum gebeten werden, dass er alle Ansprüche der Familie, den Freunden und anderen erlässt, die ihm gegenüber noch offen sind. Gleichzeitig kann er beruhigt werden, indem die Anwesenden auch alle Forderungen dem Sterbenden gegenüber aufheben. 
  4. Es werden unter anderem die Suren Yasin und Ra’d aus dem Koran vorgelesen. Außerdem werden Bittgebete gesprochen. 
  5. Der Sterbende wird beruhigt, denn der barmherzige Allah erwartet die Mitglieder des Islams nach dem Tod. 
  6. Steht der Tod kurz bevor, dann erinnert eine nahestehende Person den Sterbenden daran, das Bekenntnis der Einzigartigkeit Allahs (Kalima al-Tawhid) und das Glaubensbekenntnis (Kalima al-Schahada) zu sprechen. Die Augen des Todgeweihten werden geschlossen. 
  7. Der Sterbende soll mit dem Blick in Richtung Qibla (Gebetsrichtung zur Kaaba in Mekka) liegen. Idealerweise befindet sich die Qibla auf der rechten Seite der Person. Falls der Zustand des Todeskandidaten diese Position nicht zulässt, soll sie nicht erzwungen werden. 

Das Glaubensbekenntnis im Islam lautet 

„Aschhadu an la ilaha illa-lah wa aschhadu anna muhammadan rasulu-lah“. 

Übersetzt bedeutet dieser Satz ungefähr so viel wie „Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Allah gibt und Mohammed sein Gesandter ist“. 

Unterkiefer mit Band verschlossen 

Wichtig ist, dass der Unterkiefer mit einem Band oder Stoffstreifen festgebunden wird, bevor die Totenstarre eintritt. Der Tote soll dabei entsprechend den Riten gerade liegen. Damit die Beine in der gewünschten Position bleiben, werden die großen Zehen mit einer Schnur verbunden. 

Während der Ritus durchgeführt wird, darf ein Mitglied der Familie das nachfolgende Bittgebet rezitieren: 

„Bismillahi ala millati Rasulullah. Allahumma yassir alayhi amrahu wa sahhil aleyhi ma ba‘dahu wa as‘idhu bilikaika wadsch‘al ma haradscha ilayhi hayran mimma haradscha anhu.“ 

Übersetzt bedeuten diese Zeilen Folgendes: 

„Im Namen Allahs und der Religion des Gesandten Allahs. O Allah, erleichtere ihm seine Sache und gib ihm danach keine Mühsal. Mach ihn mit deinem Angesicht glücklich. Mache den Ort, zu dem er geht, zu einem gesegneteren Ort, als den, den er verlässt. Mach ihn mit deinem Angesicht glücklich. Mache den Ort, zu dem er geht, zu einem gesegneteren Ort, als den, den er verlässt.“ 

Totenwaschung & Salbung 

Es handelt sich um ein Ritual nach dem Status Farz al-Kifaya. Das bedeutet, dass mindestens ein Muslim die Aufgaben bei dem Toten übernehmen muss. Er tut seinen Beitrag als Stellvertreter für alle anderen. 

Der Tote des muslimischen Glaubens wird ausgezogen und mit einem weißen Leichentuch bedeckt. Dabei sollten die Anwesenden die rituelle Waschung vorgenommen haben. Frauen, die entweder ihre Regelblutung oder eine Wochenbettblutung haben, halten sich idealerweise nicht bei dem Verstorbenen auf. 

Ein männlicher Leichnam wird häufig von dem Imam gewaschen. Der Imam ist das Oberhaupt der jeweiligen Moschee. Bei weiblichen Verstorbenen übernehmen Frauen aus der Familie die Arbeit. Die Waschung der verstorbenen Männer und Frauen kann im Sterbezimmer genauso stattfinden wie in einem Zimmer der Moschee. Auf einigen Friedhöfen stehen in Deutschland mittlerweile auch spezielle Räume für die Waschung bereit. 

Genauer Ablauf der Waschung

Wichtig ist, dass die Waschung nur von Volljährigen und nach ganz bestimmten Regeln durchgeführt wird. 

  1. Hände bis zum Handgelenk mit frischem Wasser säubern 
  2. Mund ausspülen 
  3. Nasenlöcher säubern 
  4. Gesicht waschen 
  5. Hände bis zum Ellbogen spülen 
  6. Kopf von den Haaren bis zum Hals säubern 
  7. Restlichen Körper reinigen 
  8. Schambereich mit Tuch bedenken und darunter spülen 

Es sollte immer mit der rechten Körperhälfte begonnen werden. Seife wird für die rituelle Waschung nicht verwendet. 

Bei der zweiten Runde der Waschung wird dem Wasser häufig Rosenwasser, Kampfer oder Moschus untergemischt. Das sorgt für einen wohlriechenden Duft. Die Waschungen sollen in ungerader Zahl durchgeführt werden. In der Regel wird der Körper nach dem Tod dreimal gewaschen. Dies ist Teil der Vorbereitung für die Erdbestattung. 

Anschließend erfolgt die Salbung des Verstorbenen mit Kampferöl. Dabei werden Stirn, Handflächen, Knie und große Zehen gesalbt. Anschließend wird dem Verblichenen sein Totengewand angezogen oder er wird in ein Leichentuch gehüllt. 

Das Leichentuch darf keine Nähte haben und besteht idealerweise aus einem weißen Baumwollstoff. Seide als Material ist für die Bestattungen der Leichen nicht erlaubt. 

Muslimische Beerdigung: Bestattung ohne Sarg 

Eine islamische Bestattung findet entweder an der Moschee oder auf einem der muslimischen Friedhöfe statt. Die Überführung des Leichnams übernimmt der Bestatter. In Deutschland ist es nicht erlaubt, dass ein Toter durch Privatpersonen zum Ort der letzten Ruhestätte gebracht wird. Das ist ein Job für den Bestatter. Die Angehörigen können verschiedene Anbieter anfragen. Danach entscheiden sie sich für das beste Angebot für die Überführung. 

Totengebet bei einer muslimischen Beerdigung

Die muslimische Beerdigung beginnt mit dem Totengebet. Alle, die dem Gebet einstimmen, müssen sich vorher rituell waschen. Der Sarg mit dem Leichnam wird Richtung Mekka positioniert. Der Imam steht hinter dem Sarg. Hinter dem Geistlichen reihen sich Partner, Familie und Freunde auf. 

Das Totengebet wird auf dem Begräbnis im Stehen vollzogen. Es ist in vier Teile untergliedert, wobei jeder Abschnitt mit „Allahu akbar“ (Gott ist der Größte) beginnt. Diese Worte spricht einzig der Imam laut aus. Die Gemeinschaft rezitiert das Totengebet auf einer islamischen Bestattung nur im Geiste. 

  1. Gebetsabschnitt: Allahu Akbar und Rezitation der Sure „Al Fatiha“ 
  2. Gebetsabschnitt: Allahu Akbar und Segenswünsche für die Propheten Mohammed und Abraham 
  3. Gebetsabschnitt: Allahu Akbar und individuelle Bittgebete für den Verstorbenen 
  4. Gebetsabschnitt: Allahu Akbar und individuelle Bittgebete für jeden anwesenden Muslim und die Gemeinschaft der Muslime 
  5. Abschluss des Gebets durch den Friedensgruß des Imams 

Männer tragen den Sarg oder den in das Leichentuch gehüllten Verstorbenen auf einer Bahre zum Grab. An der Grabstelle wird aus dem Koran rezitiert. Es ist auch erlaubt, eine kurze Grabrede zu halten. 

Die muslimische Beerdigung birgt die Bestattung im Leichentuch als einer der zentralen Regeln. Deshalb werden die Verstorbenen aus dem Sarg genommen oder direkt von der Bahre in das Erdgrab gelegt. Wichtig ist, dass Verstorbene bei den Beisetzungen mit dem Gesicht gen Mekka im Grab liegen. Anschließend werden Holzbretter wie eine Art Dach über dem Toten gelegt. Die Beerdigung endet mit dem Verschluss des Grabes. 

Problem: Islamische Bestattung und die deutschen Gesetze 

Wie die bisherigen Beschreibungen der Riten einer muslimischen Bestattung bereits zeigen, sind die Vorschriften im Islam in Bezug auf den Tod sehr detailliert und konkret. Gleiches gilt für die gesetzlichen Regelungen zu Bestattungen in der Bundesrepublik. 

Die deutschen Vorschriften zu den Bestattungsarten sind für alle Menschen bestimmt, unabhängig von ihrem Glauben. Früher gab es in den Bestattungsgesetzen mehrere Abschnitte, die eine muslimische Bestattung in Deutschland unmöglich machten – Stichwort: Sargpflicht. 

Die Sargpflicht besagt, dass in Deutschland Verstorbene nur in einem Sarg beerdigt werden dürfen. Das ist im muslimischen Glauben aber nicht möglich. Dort wird die Erdbestattung im Leichentuch vollzogen. 

Außerdem sollte bis zu einer islamischen Bestattung nur wenig Stunden verstreichen. Idealerweise werden die Verstorbenen noch am selben Tag beigesetzt. Die meisten Bestattungsgesetze verlangen hierzulande aber mindestens eine Frist von 48 Stunden nach Eintritt des Todes bis zur Beisetzung im Grab. 

In Deutschland sind auch andere Bestattungsarten, wie die Feuerbestattung, erlaubt. Der Islam lässt eine solche Bestattung nicht zu. Muslime dürfen nur im Rahmen einer Erdbestattung beigesetzt werden. 

Wichtig zu wissen ist überdies, dass in der Bundesrepublik sogenannte Fristen zur Totenruhe existieren. Das bedeutet, dass auf den meisten Friedhöfen die Gräber nach 25 Jahren aufgelöst und wieder freigegeben werden. Das gilt natürlich nicht, sollten die Angehörigen einen neuen Grabnutzungsvertrag abschließen kann und möchte. Allerdings steht es im Islam außer Frage, die Verstorbenen wieder auszugraben und das Grab neu zu belegen. Das würde die Totenruhe stören. 

Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen des Islam und der deutschen Rechtsprechung wurden islamische Verstorbene häufig auf Friedhöfe in ihr Heimatland überführt. Glücklicherweise hat sich in den vergangenen Jahren einiges verändert, sodass immer mehr Muslime nach dem Tod in Deutschland beerdigt werden können. 

Beratung über die Optionen und Kosten erfolgt durch die Bestatter vor Ort. 

Die Lösungen für eine muslimische Beerdigung in Deutschland 

Vor einigen Jahren ging ein Aufatmen durch die islamische Gemeinde. Denn die folgenden Bundesländer gewähren Ausnahmen zur Sargpflicht: 

  • Niedersachsen 
  • Nordrhein-Westfalen
  • Hamburg 
  • Schleswig-Holstein 
  • Saarland 

In diesen Bundesländern ist auf speziell ausgewiesenen Grabfeldern nun auch eine muslimische Bestattung im Leichentuch erlaubt. 

In Bezug auf den Zeitpunkt der Beisetzung wurde ebenfalls ein Kompromiss geschlossen. Die muslimische Bestattung findet hierzulande in der Regel drei Tage nach Eintritt des Todes statt. 

Mittlerweile gibt es in Deutschland einige Bestatter, die sich mit den Fragen des Islam auskennen. Sie wissen, dass es essenziell ist, jede Vorschrift so genau wie möglich einzuhalten. Gleichzeitig kennen Sie jeden wichtigen Bestandteil der Bestattungsgesetze. Dadurch liefern sie eine ausgezeichnete Beratung und alle notwendigen Antworten zu den gängigen Fragen der islamischen Beisetzung. 

Grabgestaltung im Islam  

Die muslimischen Friedhöfe sehen anders aus, als die Menschen in den westlichen Gefilden es gewohnt sind. Sowohl auf der Beerdigung als auch später werden die Grabstätten der Verstorbenen nicht pompös gestaltet und aufwendig gepflegt. Dadurch sind die Kosten der Beerdigung und anschließenden Pflege für das Grab oftmals geringer als bei einer christlichen Beisetzung. 

Viel wichtiger ist es, den Verstorbenen ihre letzte Ruhe zu lassen. Während simple Holzmarkierungen oder Steine für das Grab ausreichen würde, wird dennoch auch häufig ein Grabstein gesetzt. Es ist nicht üblich, das Grab der Verstorbenen regelmäßig zu besuchen. 

FAQ: Die häufigsten Fragen zur Bestattung im Islam  

Wie läuft eine muslimische Beerdigung ab? 

Der Ablauf einer Beisetzung geschieht in vier Abschnitten: 

  1. Die Augen des Sterbenden/Toten werden geschlossen und Bittgebete gesprochen. 
  2. Der Unterkiefer wird mit einem Band zugebunden. 
  3. Die Totenwaschung und Salbung erfolgen. 
  4. Die islamische Bestattung passiert an der Moschee oder auf einem Gebetsplatz am Friedhof. Der Tote wird ohne Sarg an das Grab übergeben. 

Alle Abschnitte beinhalten viele verschiedene Rituale, an die sich akribisch gehalten werden soll. 

Was trägt man auf einer muslimischen Beerdigung? 

Während der Ablauf sehr genau geregelt ist, gibt es für die islamischen Bestattungen keine Kleidervorschriften. In der Regel tragen die Menschen aber eher dunkle Farben. 

Kann man in Deutschland ohne Sarg begraben werden? 

In den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Saarland wurde die Sargpflicht gelockert. Dort können Verstorbene auch ohne Sarg beerdigt werden. 

Was kostet eine muslimische Beerdigung in Deutschland? 

Die Preise für eine muslimische Beisetzung variieren. In der Regel belaufen sie sich auf eine Summe zwischen 1.100 und 1.800 EUR. Die Kosten, wenn Verstorbene von Deutschland aus in ihr Heimatland überführt werden, sind wesentlich höher. 

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